[S06E07]: Philosophicum: Simple, komplizierte, komplexe und chaotische Projekte (#63)

Worum geht's in dieser Folge? Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum. Ein Philosophicum ist bei mir immer eine Folge, wo ich, wie der Name schon sagt, ein bisschen philosophieren will und ein bisschen in die Tiefe gehen will. Das ist dann vielleicht eine Folge, wo es weniger praktische Tipps und Tricks zum Mitnehmen für dich gibt, aber dafür nehmen wir uns die Zeit, gemeinsam nachzudenken über unser Leben und unsere Personal Projects, mit denen wir dieses Leben ausfüllen. Und in diesem Philosophicum geht es um simple, komplizierte, komplexe und chaotische Personal Project. Genauer gesagt geht es darum: Was der Unterschied ist zwischen einem simplen, einem komplizierten, einem komplexen und einem chaotischen Projekt und wie wir mit solchen Projekten jeweils umgehen sollten und welche Strategien in diesen Projekten jeweils sinnvoll sind. Ich denke, das könnte ganz spannend werden. Möge die Übung gelingen! Zuerst mal: Die Idee zur Unterscheidung zwischen simplen, komplizierten, komplexen und chaotischen Projekten habe ich vom so genannten Cynefin (sprich Kjunefin) Modell. Dieses Modell kommt eigentlich aus der Systemtheorie und beschreibt verschiedene Systeme. Es wurde vom Wissenschaftler David Snowden und der Beraterin Mary E. Boone entwickelt und ist eigentlich dafür gedacht, Führungskräften dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen in den jeweils unterschiedlichen Situationen zu treffen. Als ich dieses Modell gesehen habe, habe ich mir sofort gedacht: Günter, das passt auch super zu Personal Projects. Daraus musst du unbedingt eine Podcast-Folge machen. Naja, und hier ist sie! 1. Simple Projekte Simple Projekte sind Projekte, die durch einfache wenn-dann-Beziehungen gekennzeichnet sind. Das heißt, das sind Projekte, wo du sehr zuverlässig sagen kannst: Wenn ich das mache, dann wird das geschehen. Also zum Beispiel: Ein Projekt wie „Urlaub planen”. Das ist - normalerweise zumindest - ein simples Projekt. Da gibt es eine Liste von Aufgaben, die zu erledigen sind, aber jede für sich ist ziemlich simpel: Wenn du z.B. auf ein Reiseportal im Internet gehst und dort Urlaubsdestination und Datum eingibst, dann wirst du Vorschläge bekommen. Also eine ganz eindeutige wenn-dann-Beziehung. Wenn du dort was buchen willst, wirst du mit Kreditkarte bezahlen können - oder müssen. Wenn du mit Kreditkarte bezahlt hast, wird das Hotel für dich zum Wunschtermin ein Zimmer frei haben. Wenn du keine zusätzliche Reiseversicherung buchst, wirst du im Schadensfall keine Versicherungsleistung bekommen. Und so weiter, und so fort. Ein simples Projekt kann also aus einer Vielzahl von einzelnen Arbeitsschritten bestehen. Aber jeder einzelne Schritt hat eine ganz einfache Struktur: Wenn du das und das machst, wird das und das geschehen. Wenn du das und das nicht machst, wird das und das nicht geschehen. Also jeder einzelne Schritt für sich ist relativ simpel. Die Menge an notwendigen Schritten kann das Projekt zwar anstrengend machen, aber mit ein bisschen Ruhe und Konzentration solltest du jeden einzelnen der Schritte selber bewältigen können. Deshalb brauchen viele Menschen, Dank des Internets, heute kein Reisebür
Worum geht's in dieser Folge?
Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum. Ein Philosophicum ist bei mir immer eine Folge, wo ich, wie der Name schon sagt, ein bisschen philosophieren will und ein bisschen in die Tiefe gehen will. Das ist dann vielleicht eine Folge, wo es weniger praktische Tipps und Tricks zum Mitnehmen für dich gibt, aber dafür nehmen wir uns die Zeit, gemeinsam nachzudenken über unser Leben und unsere Personal Projects, mit denen wir dieses Leben ausfüllen. 
Und in diesem Philosophicum geht es um simple, komplizierte, komplexe und chaotische Personal Project. Genauer gesagt geht es darum: 
  1. Was der Unterschied ist zwischen einem simplen, einem komplizierten, einem komplexen und einem chaotischen Projekt und 
  2. wie wir mit solchen Projekten jeweils umgehen sollten und 
  3. welche Strategien in diesen Projekten jeweils sinnvoll sind. 
Ich denke, das könnte ganz spannend werden. Möge die Übung gelingen! 
Zuerst mal: Die Idee zur Unterscheidung zwischen simplen, komplizierten, komplexen und chaotischen Projekten habe ich vom so genannten Cynefin (sprich Kjunefin) Modell. Dieses Modell kommt eigentlich aus der Systemtheorie und beschreibt verschiedene Systeme. Es wurde vom Wissenschaftler David Snowden und der Beraterin Mary E. Boone entwickelt und ist eigentlich dafür gedacht, Führungskräften dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen in den jeweils unterschiedlichen Situationen zu treffen. 
Als ich dieses Modell gesehen habe, habe ich mir sofort gedacht: Günter, das passt auch super zu Personal Projects. Daraus musst du unbedingt eine Podcast-Folge machen. Naja, und hier ist sie!
 1. Simple Projekte
Simple Projekte sind Projekte, die durch einfache wenn-dann-Beziehungen gekennzeichnet sind. Das heißt, das sind Projekte, wo du sehr zuverlässig sagen kannst: Wenn ich das mache, dann wird das geschehen. 
Also zum Beispiel: Ein Projekt wie „Urlaub planen”. Das ist - normalerweise zumindest - ein simples Projekt. Da gibt es eine Liste von Aufgaben, die zu erledigen sind, aber jede für sich ist ziemlich simpel: Wenn du z.B. auf ein Reiseportal im Internet gehst und dort Urlaubsdestination und Datum eingibst, dann wirst du Vorschläge bekommen. Also eine ganz eindeutige wenn-dann-Beziehung. Wenn du dort was buchen willst, wirst du mit Kreditkarte bezahlen können - oder müssen. Wenn du mit Kreditkarte bezahlt hast, wird das Hotel für dich zum Wunschtermin ein Zimmer frei haben. Wenn du keine zusätzliche Reiseversicherung buchst, wirst du im Schadensfall keine Versicherungsleistung bekommen. Und so weiter, und so fort.
Ein simples Projekt kann also aus einer Vielzahl von einzelnen Arbeitsschritten bestehen. Aber jeder einzelne Schritt hat eine ganz einfache Struktur: Wenn du das und das machst, wird das und das geschehen. Wenn du das und das nicht machst, wird das und das nicht geschehen. Also jeder einzelne Schritt für sich ist relativ simpel. Die Menge an notwendigen Schritten kann das Projekt zwar anstrengend machen, aber mit ein bisschen Ruhe und Konzentration solltest du jeden einzelnen der Schritte selber bewältigen können. Deshalb brauchen viele Menschen, Dank des Internets, heute kein Reisebüro mehr für die Buchung ihres Urlaubs.
Andere Beispiele für simple Projekte wären Projekte wie „Endlich mein Fahrrad reparieren” oder „Die Prüfungen meiner Schüler korrigieren” oder auch „Beim Kasperltheater im Kindergarten meines Sohnes mitspielen”. Diese Projekte sind zwar mehr oder weniger aufwendig, aber von ihrer Struktur her, von dem, wie das Projekt insgesamt ablaufen wird, sehr überschaubar und auch vorhersehbar. Wir haben intuitiv einen recht guten Plan davon, wie wir vorgehen müssen - nicht zuletzt, weil wir von ähnlichen Projekten, die wir im Laufe unseres Lebens gehabt haben, wissen, wie man solche Projekte angeht - und wie besser nicht.
Die Mehrzahl unserer Personal Projects sind simple Projekte. Gott sei Dank, wie wir sehen werden. Denn bei den nächsten Projekten wird es schon kompliziert.
 2. Komplizierte Projekte
Und damit sind wir auch schon bei den komplizierten Projekten. Was macht ein Projekt zu einem komplizierten Projekt?
Naja, in erster Linie die Tatsache, dass man zur Erledigung dieses Projekts Expertenwissen braucht. Und wenn man es selbst nicht hat, dann muss man sich für komplizierte Projekte Berater oder Helfer dazu holen, weil man es alleine nicht bewältigen kann.
Ein Beispiel für ein kompliziertes Personal Project wäre „Wir bekommen ein Baby”. Überleg dir mal, wie viele Experten mit ihrem Expertenwissen rund um die Geburt, von der Feststellung der Schwangerschaft bis zum Verlassen des Krankenhauses, an diesem Projekt mitarbeiten. Das sind unglaublich viele! Da ist z.B. die Gynäkologin, die Hebamme, die Krankenschwestern, die Beamten am Standesamt, die unzähligen Ratgeberbücher rund um die Geburt, da gibt es Geburtsvorbereitungskurse, da bekommt man Ratschläge und Tipps von den Eltern und von den Schwiegereltern und von Freunden und von wildfremden Menschen. Also eine Menge Menschen, die ihr Expertenwissen ins Projekt einbringen, weil man selbst, als werdende Eltern, gar nicht das ganze Wissen hat, das nötig wäre, um dieses Projekt zu bewältigen. Man wird zwar mit jeder weiteren Schwangerschaft immer kompetenter, und das Projekt wird weniger kompliziert - das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, beim zweiten Kind ist man schon viel entspannter als beim ersten - aber trotzdem: Auch bei der fünften Schwangerschaft wird man noch immer Expertenhilfe brauchen, weil das Projekt „Wir bekommen ein Baby” immer kompliziert bleiben wird.
Komplizierte Projekte lassen sich also nur dadurch lösen, dass wir uns jene Kompetenzen und jenes Wissen dazu holen, das wir selbst nicht haben, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Andere komplizierte Projekte wären zum Beispiel „Bei den Eltern ausziehen und die erste eigene Wohnung suchen” oder „Mein Testament machen”. Alle Dinge, die wir zum ersten Mal machen und die sehr starke Auswirkungen auf unser weiteres Leben haben werden, sind tendenziell kompliziert - aber noch nicht notwendigerweise komplex.
Womit wir auch schon bei der nächsten Kategorie wären.
 3. Komplexe Projekte
Wir haben ja gesagt, dass uns bei komplizierten Projekten das Wissen oder die Kompetenz fehlt, um selbst das Projekt zum Erfolg zu bringen. Deswegen müssen wir uns Experten dazu holen. Aber wenn wir das tun, dann haben auch komplizierte Projekte eine sehr hohe Chance, gut über die Bühne zu gehen. Weil die Experten ja wissen was sie tun. Man könnte auch sagen: Für eine Hebamme, die einige Jahre im Geschäft ist, ist eine Geburt kein kompliziertes, sondern wahrscheinlich ein ziemlich simples Projekt. Zumindest die allermeisten Geburten. Daher können wir uns bei komplizierten Projekten ziemlich gut darauf verlassen, dass wenn wir tun, was die Experten sagen, das Projekt einen guten Abschluss finden wird.
Bei komplexen Projekten ist das anders. Komplexe Projekte haben so viele Variablen, so viele Ungewissheiten, dass es nicht mehr möglich ist vorauszusagen, was passiert, wenn wir das oder das tun. Und auch Experten helfen uns dabei nicht mehr. Bei komplexen Projekten kann dir einfach niemand sagen, was passieren wird, wenn du etwas tust oder etwas nicht tust. 
Ein Beispiel für ein komplexes Projekt ist „Mein eigenes Unternehmen gründen”. Das ist mehr als kompliziert, das ist komplex. Weil dir bei so einem Projekt niemand im Vorhinein sagen kann, was du tun sollst, damit du Erfolg hast. Der Erfolg deines Unternehmens hängt von so vielen verschiedenen Faktoren ab, die sich auch gegenseitig beeinflussen und die sich auch ständig verändern, dass es für das Gehirn eines einzelnen Menschen völlig überfordernd ist, all diese Faktoren im Kopf zu haben und alle möglichen Auswirkungen zu überblicken. 
Es ist bei komplexen Projekten immer sehr verlockend, wenn wer daher kommt und sagt: Schau her, mach das so und so, und dann wirst du Erfolg haben. Nur leider: Bei komplexen Projekten funktioniert das nicht! Bei komplizierten Projekten, ja. Aber bei komplexen Projekten sind einfach zu viele Variablen im Spiel für verlässliche Erfolgsrezepte. 
Denkt z.B. an ein anderes komplexes Projekt: „Eine glückliche Beziehung führen”. Kein Experte der Welt und kein Beziehungsratgeber der Welt kann dir sagen, was du tun musst, dass genau deine Beziehung für immer und ewig glücklich ist. Das ist einfach nicht möglich. Auf das Glück einer Beziehung haben einfach viel zu viele Faktoren Einfluss, und diese Faktoren verändern sich auch mit der Zeit. Und dennoch verkaufen sich Beziehungsratgeber bestens. Weil wir uns wünschen, unser Beziehung wäre kein komplexes Projekt, sondern bestenfalls ein kompliziertes, das wir mit Hilfe von Expertenwissen lösen können. Dass eine Beziehung kein simples Projekt ist, weiß ohnehin jeder, der schon mal in einer Beziehung war. 
Naja, welche Taktik bleibt dann für die Bewältigung von komplexen Projekten? Im Grunde nur eine: Trial and Error. Versuch und Irrtum. Etwas ausprobieren und schauen, was passiert. Ausprobieren, überprüfen, nachbessern. Und ständig weiterlernen. Es geht nicht anders. Wir können bei komplexen Projekten nicht im Vorhinein sagen, was Erfolg haben wird und was nicht. Ständiges Hinschauen und Korrigieren ist der einzige Weg. 
 4. Chaotische Projekte
Bleibt nun noch die vierte Kategorie, die chaotischen Projekte.  
Komplexe Projekte kann man sich vorstellen wie… Wer schon mal in Irland war, der kennt das: In Irland, an der Westküste, gibt es Straßen, die sind so eng und so gewunden, dass man überhaupt keine Ahnung hat, was sich hinter der nächsten Kurve verbirgt - ob einem da ein anderes Auto oder eine Schafherde oder ein Reisebus entgegen kommt. Man sieht nur bis zur nächsten Kurve - was dann kommt, weiß niemand. 
Chaotische Projekte, das ist wie wenn man auf so einer irischen Straße fährt - aber im Nebel. Man sieht NICHT MAL bis zur nächsten Kurve. Man sieht gar nichts. Es gibt überhaupt nichts, woran man sich orientieren kann. 
Chaotische Projekte sind Projekte wie Scheidung oder der Tod eines Angehörigen oder eine schwere Krankheit oder Jobverlust. Solche Projekte kommen plötzlich daher und ziehen einem buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Bei solchen Projekten gelten die Gesetze und Regeln von „normalen” Personal Projects einfach nicht. Da geht es darum, überhaupt mal einen Schritt vor den anderen zu bekommen und überhaupt mal wieder auf die Beine zu kommen. In solchen Projekten gibt es einfach keine Regeln und Gesetzmäßigkeiten, und es wäre auch sinnlos, nach solchen zu suchen. Genauso sinnlos ist in solchen Projekten, nach Ursachen zu forschen. Für chaotische Projekte gibt es keine guten Gründe. Bei einer Trennung hilft es dir nicht weiter, wenn du die Gründe für die Trennung analysierst - auch wenn die Versuchung natürlich groß ist. Es geht hier viel mehr ums Handeln, darum, mit dem neuen Leben Schritt für Schritt zurecht zu kommen. Und zu schauen, dass sich der Nebel langsam lichtet und aus dem chaotischen Projekt Leben wieder nur ein komplexes Projekt wird. 
Zusammenfassung
 Also, wenn ihr euch eine Sache aus dieser Folge mitnehmen sollt, dann wäre es das: 
  • Für die Bewältigung unserer Personal Projects ist es hilfreich, den Unterschied zwischen simplen, komplizierten, komplexen und chaotischen Projekten zu kennen. 
  • Simple Projekte folgen einfachen wenn-dann-Beziehungen. In simplen Projekten sind die Spielregeln ziemlich klar, und es lässt sich recht eindeutig vorhersagen, wie dieses Projekt zum Erfolg kommen wird und wie nicht. 
  • Für komplizierte Projekte brauchen wir Experten und Helfer, die uns dabei helfen, diese Projekte zu meistern, weil wir selbst nicht das nötige Wissen und die nötige Kompetenz dafür haben. 
  • Bei komplexen Projekten helfen uns hingegen auch Experten nichts, weil komplexe Projekte einfach zu viele Variablen haben, sodass man überhaupt nicht mehr voraussagen kann, was in einer bestimmten Situation die richtige und was die falsche Entscheidung wäre. Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, ist Trial and Error: Ausprobieren, überprüfen, nachbessern. 
  • Bei chaotischen Projekten hingegen gibt es gar keine Regeln mehr. Das ist wie Autofahren im Nebel. Es gibt nichts, woran man sich orientieren kann. Das einzige Ziel in chaotischen Projekten kann nur sein, möglichst heil durch den Nebel zu kommen und zu schauen, dass sich der Nebel möglichst bald lichtet, damit man Schritt für Schritt wieder etwas mehr Ordnung in sein Leben hineinbekommt.  
[S06E07]: Philosophicum: Simple, komplizierte, komplexe und chaotische Projekte (#63)
Ausgestrahlt von